Wie sieht eine artgerechte Bienenlandschaft aus?
«Es wird uns nicht mehr möglich sein, unsere Pflichten zu erfüllen. Somit wird auch für euch Menschen das Leben schwieriger werden.» Das war nach meinem Empfinden, was die Bienenvölker mir am Ende der Wintersaison 2012 sagen wollten. Ein Weckruf, die Lebensbedingungen unserer Bienenvölker zu verbessern.
Wo Bienen sich ansiedeln können, ist auch unsere Gesundheit gesichert
Alles, was die Biene uns schenkt, wird durch ihren eigenen Körper aufgenommen und geprüft. Während dreier Wochen lebt die Jungbiene in fast völliger Finsternis. Und dennoch «erfährt» sie über ihre Nahrung (Pollen und Honig), wie die den Bienenstock umgebende Landschaft aussieht! Wenn dann endlich die Zeit kommt, wo sie selbst ausfliegen darf, so freut sie sich über das Spiel mit der Sonne.
Sie freut sich auf jeden Besuch einer Blüte, nicht nur weil sie darauf existenziell angewiesen ist, sondern weil sie «weiss», dass eine vielfältige Tracht den Jungvölkern die beste Gesundheit bescheren wird. Ganz anders ist es, wenn sie statt einer bunten Kulturlandschaft auf eine öde Agrarwüste trifft. Sie wird sie genauso fleissig bestäuben, aber ihr Volk wird entmutigte, geschwächte Nachkommen hervorbringen.
Die Bienen als Landschaftsgestalter
Das Bienenvolk als heiliger und heilender Organismus hat viel-fältige Aufgaben. Unter anderem überzieht es Landschaften mit einer belebenden Energie. Die Bienen ermöglichen mit der Befruchtung der Blüten Rei-fungsprozesse und gestalten so wesentlich mit an einer leben-digen, vielfältigen Landschaft. In gestörten oder gar zerstörten Landschaftsstrukturen können Bienen ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden und leiden darunter. Ihre Krankheiten und ihr Sterben vermitteln eine klare Botschaft. Es liegt in der Verantwortung der Menschen, das Überleben dieses sozial hoch entwickelten Insekts zu sichern.
Landschaft als Visitenkarte
Von jeher gilt die Landschaft als Visitenkarte der in ihr lebenden und sie gestaltenden Menschen. Frühere Bewohner erlebten ihr eigenes Wesen nicht in sich, sondern in der Ehrfurcht vor der Landschaft. Die Landschaft wurde als Ganzes wahrgenommen. Heute, nach einer Zeit der Ausbeutung, entwickelt sich das Bedürfnis nach einer persönlichen Beziehung zur Landschaft erneut, nach einem gegliederten Organismus mit Bergen, Hügeln, Tälern, Wäldern, Feldern, Gärten, Seen. Ganz im Sinne der Bienen.
Christophe Perret-Gentil, Biologe