FondsGoetheanum: Sozialtherapie und Heilpädagogik

Interdisziplinär arbeiten, umfassend wirken

fondsGoetheanum: Medizin
Künstlerisches Schaffen fördert ein stabiles Gleichgewicht.

Anthroposophische Heilpädagogik und Sozialtherapie sowie die Anthroposophische Medizin arbeiten seit ihrem Entstehen eng zusammen. Deutlich wird dies ganz besonders in der Diagnosestellung.

Zwischen der Anthroposophischen Medizin und der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie besteht seit jeher eine enge Zusammenarbeit. Wenn sich ein Heilpädagoge und ein Arzt eines Kindes mit besonderem Förderungsbedarf annehmen, dann fallen ihnen durch ihre verschiedenen Ausbildungen primär unterschiedliche Dinge ins Auge. Wenn beide sich zusammenfinden und eine gemeinsame Diagnose stellen, dann wird es fruchtbar für das Kind.

Dem Pädagogen/Heilpädagogen treten in der Schule oder im Alltag zuerst die seelischen Eigenarten entgegen. Er wird seine Diagnose aus dem Seelischen herleiten. Der Arzt aber lenkt sein Hauptaugenmerk auf das Körperliche, bei Kindern mit Behinderungen sind ja oft auch bedeutende körperliche Eigenheiten und Einseitigkeiten festzustellen. Sie sind für ihn die Zeichen, an denen er erkennt, wie ein Menschengeist und eine Menschenseele sich mit dem Leib verbunden haben.

Der Weg zu einer heilpädagogisch-medizinischen Diagnose
Zuerst zeigen sich Einseitigkeiten im Leiblichen: Es geht um das gesamte Erscheinungsbild eines Menschen. Wie sind die Proportionen? Ist er eher nervig oder füllig? Hat das Rhythmische im mittleren Menschen die Kraft, ausgleichend und harmonisierend zu wirken, oder «geht er unter»? Welche Krankheitszeichen sind sichtbar? Der Arzt versucht zu verstehen, wo und wieso sich im Körperlichen Hindernisse entgegenstellen. 

Das Seelische zeigt sich in den drei Richtungen des Denkens, des Fühlens und des Wollens. Wie kann sich jemand konzentrieren, wie bewegt sich der Gedankenfluss? Erstarrt der Gedanke, oder kann er kaum festgehalten werden, ist er assoziativ, ist er fliehend? Im Fühlen öffnet sich der Mensch und kann so den andern Menschen erleben. Der Gesunde findet zu sich zurück, das Gefühlte wird zur eigenen Erfahrung. Bei Einseitigkeit ist es möglich, dass der Mensch nur die ausfliessende Tendenz hat, der Welt ausgeliefert ist, «ausser sich» ist. Oder aber in sich und seiner Welt gefangen, gestaut, abgekapselt, allenfalls gefolgt von befreienden Zornausbrüchen. 

Im Wollen kann der Mensch sehr beweglich, getrieben, unruhig sein oder im Gegenteil langsam, träge und nur mit viel Kraft in Bewegung kommen. 

Die Sinne sind Tore zur Welt
Die Sinne sind für die Menschen die Tore nach aussen, um mit der Welt in Verbindung zu treten. Für ihr Lebensgefühl ist sehr entscheidend, wie intakt diese Tore sind. In uns werden die Wahrnehmungen von «draussen» zu unserem Erfahrungsschatz, zu unserem Eigenen. Es gibt Sinne – heute oft unter dem Begriff der Eigenwahrnehmung zusammengefasst –, die mehr auf uns selbst und unser Wohlfühlen gerichtet sind. Dann gibt es Sinne, die nach aussen gerichtet sind (Geruch, Geschmack, Sehen, Wärmewahrnehmung) und solche, die uns ermöglichen, die Gedanken anderer zu verstehen, den anderen Menschen in seiner Persönlichkeit zu erkennen.

Der Kern des Menschen ist heil
Aus dem Wahrnehmen und Erkennen der Einseitigkeiten im Leiblichen, Seelischen und Geistigen entstehen im Gespräch zwischen Heilpädagoge und Arzt Ansatzpunkte zur Therapie: Wie kann dieser Mensch mehr ins Gleichgewicht gebracht werden, durch seine Sinnestore besser mit der Welt in Verbindung treten, mehr von seiner Persönlichkeit auf Erden verwirklichen? Die Bemühungen der Heilpädagogen unterstützt der Arzt mit seinen Substanzen aus der Natur, manchmal auch aus der naturwissenschaftlichen Medizin, sowie mit den künstlerischen Therapien (Heileurythmie, Sprache, Malen, Plastizieren), der Massage und Physiotherapie. Für den anthroposophischen Heilpädagogen/Sozialtherapeuten und Arzt ist jedoch erlebbar: Der Menschenkern ist immer unverletzt, heil.

Dr. med. Christoph Wirz