Ita Wegmans Pioniertat gegen den Krebs und für das Leben
Eine Pioniertat mit grossartigen Folgen hat die Ärztin Ita Wegman erbracht. Die von ihr begründete onkologische Misteltherapie verbesserte und verbessert das Befinden ungezählter Krebspatientinnen und Krebspatienten signifikant.
Der Beginn des 20. Jahrhunderts war eine Zeit, wo Chirurgie und eine an Nebenwirkungen reiche Röntgenbestrahlung der Krebserkrankung noch recht hilflos gegenüberstanden. Chemotherapie als dritte «Waffe» gegen bösartige Tumore war noch unbekannt.
In dieser Zeit zog die junge, auf Java geborene, mit 18 Jahren nach Holland übergesiedelte und dort zur Physiotherapeutin ausgebildete Ita Wegman nach Zürich, um Medizin zu studieren. In der Schweiz war damals ein Medizinstudium auch für Frauen schon möglich. Ita Wegman liess sich nach Abschluss des Studiums zur gynäkologischen Fachärztin ausbilden. Die Not der Krebspatientinnen hatte sie dabei tief berührt, und deren Behandlung war von Anfang an ein zentrales Anliegen in ihrer praktischen Tätigkeit.
«Eine Besserung tritt immer ein»
1917 setzte Ita Wegman den Hinweis Rudolf Steiners auf die Mistel als Krebsheilpflanze um, indem sie ein erstes Präparat aus der Apfelmistel beim Zürcher Pharmazeuten Dr. Adolf Hauser herstellen liess. Bereits zur Eröffnung ihrer ersten, grosszügigen Praxis an der Gemeindestrasse 27 in Zürich am 1. Juli 1917 stand dieses neue Mistelpräparat zur Injektionstherapie zur Verfügung, und sie behandelte damit im selben Monat erste Patientinnen. So begann vor 100 Jahren in der Praxis von Ita Wegman in -Zürich die anthroposophische onkologische Misteltherapie.
Schon bei ihren ersten Patientinnen, die mit sehr ungünstiger Prognose aus der Zürcher Frauenklinik zu ihr in die Sprechstunde kamen, konnte sie mit der neuen Misteltherapie ganz erstaunliche Resultate feststellen. Zwar waren keine «absolut einwandfreien Heilungen» zu erreichen, aber in zahlreichen Fällen beobachtete Ita Wegman einen Rückgang der Tumorgrösse. Vor allem aber betont sie: «Eine Besserung des subjektiven Befindens tritt immer ein. Die Schlaflosigkeit und Müdigkeit gehen allmählich zurück. Die Patienten bekommen wieder Mut zu leben». Diese Wirkung der Mistel auf das Befinden trat auch bei Patienten in sehr fortgeschrittenem Stadium ihrer Erkrankung auf. Sie zeigte sich unter anderem als Schmerzlinderung mit einer entsprechenden Reduktion des Schmerzmittelverbrauchs.
Ausbreitung des Mistelimpulses durch Ita Wegman
Nach diesen begeisternden ersten Erfolgen blieb die weitere Ausarbeitung der neuen Krebstherapie auch in ihrem 1921 in Arlesheim begründeten «Klinisch-Therapeutischen Institut» eine zentrale Aufgabe.
Die Aktivitäten der anthroposophischen Krebstherapie bekamen 1935 einen institutionellen Rahmen, als Ita Wegman zusammen mit dem engagierten Schweizer Arzt Werner Kälin, seiner Frau Lina Kälin und Rudolf Hauschka den Verein für Krebsforschung in Arlesheim gründete. Dessen Stosskraft wurde nach dem zweiten Weltkrieg wesentlich gestärkt durch die Gründung des Forschungsinstituts Hiscia (1949) sowie der Lukas Klinik (1963), der weltweit ersten anthroposophisch-onkologischen Spezialklinik. Beide Einrichtungen konnten sich ausschliesslich der Aufgabe der Erforschung, Entwicklung und Anwendung der Misteltherapie widmen und schufen mit ihrer Arbeit die Grundlagen dafür, dass Mistelpräparate heute in der Schweiz und in Deutschland zu den in der Komplementärmedizin am häufigsten eingesetzten Medikamenten zur Behandlung von Krebspatienten gehören.
Misteltherapien wecken neuen Lebensmut
Ein Blick auf die Entwicklung der Mistelinjektionstherapie in den letzten 100 Jahren zeigt, wie fruchtbar diese neue Therapie sich erweist. Auch die akademische Naturwissenschaft liess sich schon früh von den ersten Resultaten aus der Klinik anregen und untersuchte die antitumorale Wirksamkeit der Mistel. Dies führte zu einer eigentlichen Flut von wissenschaftlichen Publikationen. Verbesserung der Lebensqualität, Verringerung der Nebenwirkungen der konventionellen Therapien, Tumorrückgänge und Verlängerungen der Überlebenszeit von Krebspatienten durch die Misteltherapie sind heute auch in qualitativ hochstehenden Studien wissenschaftlich nachgewiesen.
Heilende Kräfte neu entfalten
Die Leistung Ita Wegmans für die Krebstherapie bestand nicht nur darin, dass sie in ihrer beherzten Art die Mistel als Heilmittel einführte und ihre Verarbeitung und Anwendung gezielt förderte. Sie baute an der neuen, anthroposophischen Medizin als Ganzes und schuf so einen umfassenden Rahmen für die Therapie dieser Erkrankung unserer Zeit. In ihrer Tätigkeit gründete Ita Wegman in Arlesheim nicht nur die erste anthroposophische klinische Einrichtung, sondern veranlasste oder unterstützte Gründungen weiterer Kliniken, Therapiezentren und Praxen, aber auch heilpädagogische Einrichtungen sowie die Fabrikation und den Vertrieb von Heilmitteln.
Ihr Ziel war, die konzeptionellen Grundlagen einer neuen Medizin zu erarbeiten und zu vermitteln. Sie lebte mit der Erkenntnis, dass eine Krebstherapie sich nicht nur auf die Bekämpfung der «bösartigen» Krebszellen beschränken darf, sondern die gesundenden, Gleichgewicht schaffenden Kräfte des Organismus in seiner Ganzheit einbeziehen muss.
Ita Wegman stand in inspirierender
Zusammenarbeit mit vielen Ärzten, Medizinstudenten, Pharmazeuten, Krankenschwestern, Heilpädagogen, Therapeuten, Ernährungsfachleuten und Forschern. Sie kümmerte sich um die ärztliche Weiterbildung und Fachtagungen, Ausbildungskurse für Krankenschwestern und organisierte auch öffentliche Tagungen. Dabei pflegte sie intensive Kontakte mit Fachleuten und Patienten aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Holland, England, Island, USA usw. In diesen schier unermesslichen Aktivitäten zeigten sich ihre grosse Willenskraft und ihr praktisch-organisatorisches Talent. So gelang es ihr, Keime zu legen, die sich gerade mit der onkologischen Misteltherapie als wohltätige Wirkung in die breite Öffentlichkeit hinein entfalten konnten.
Dr. sc. nat. Konrad Urech
Literatur:
Peter Selg (2016) Mensch und Mistel, Salumed-Verlag, Berlin.
Das Ita Wegman Institut
ist ein Ort anthroposophischer Grundlagenforschung. Hier wird die von Rudolf Steiner entwickelte anthroposophische Geisteswissenschaft ideengeschichtlich aufgearbeitet und in ihrer aktuellen Relevanz aufgezeigt. Zahlreiche Buchmonographien gingen von diesem Institut aus, aber auch eine breit angelegte öffentliche und akademische Lehrtätigkeit.
Leitung: Prof. Dr. med. Peter Selg