FondsGoetheanum: Zukunft gestalten

Dreigliederung Schweiz, Zürich

  • Gegründet: September 2022
  • 2 Mitarbeitende

www.dreigliederung.ch

«Wir brauchen heute Ideen, welche nicht mehr auf dem nationalstaatlichen Denken beruhen.»

Die «Bewegung Dreigliederung Schweiz» für soziale Erneuerung

Im folgenden Gespräch zur Dreigliederung mit der Redaktion geht es darum, dass Wirtschaft, Recht und Kultur in einen neuen Zusammenhang gebracht, neu gegliedert werden müssen.

Welche sind für euch die gegenwärtig grössten sozialen Herausforderungen?

Aktuell der Krieg in der Ukraine. In diesem spielt sich eine grössere Auseinandersetzung ab, in welcher der Osten und der Westen verstärkt aufeinanderprallen. Diese Entwicklung ist extrem gefährlich, und es braucht Ideen, welche das gegenseitige Verständnis und Vertrauen wiederherstellen können. Das ist eine gewaltige Aufgabe.

Eine weitere, immense Herausforderung ist der Raubbau an der Natur. Dieser hängt mit unserer ganzen Wirtschaftsordnung zusammen, welche auf den Egoismus des Menschen ausgerichtet ist. Viele Menschen denken heute, der Mensch könne nicht anders. Das ist aber ein Vorurteil. Es ist ein ideologisches Gefängnis, in welches wir eingesperrt sind. Adam Smith, Moralphilosoph und Begründer der klassischen Wirtschaftstheorie, erkannte schon, dass der Mensch im Grunde auch gut ist. Es ist daher vielmehr die Frage zu stellen, wie wir die Zusammenarbeit so gestalten, dass die vorhandenen sozialen Kräfte zur Geltung kommen.

Wir brauchen heute Ideen, welche nicht mehr auf dem nationalstaatlichen Denken beruhen. Diese Art der Gesellschaftsorganisation wird, wenn sie nicht überwunden wird, zu weiteren Kriegen und viel Elend führen. Die Dreigliederung ist die Überwindung des Nationalstaates durch eine Entflechtung von Wirtschaft, Recht und Kultur. Sie ist eine Idee mit riesigem Friedenspotential.

 

Wieso Dreigliederung und was versteht ihr unter Dreigliederung?

Damit ist Folgendes gemeint. Verwaltet der Staat kulturelle Angelegenheiten, wie Bildung, Kunst oder Wissenschaft, so wird dieser Bereich in den Dienst des Staates gerückt. Welche Wissenschaft dient dem Bruttonationalprodukt? Welche Geschichtslehrbücher sind geeignet, loyale Staatsbürger zu erziehen? Das ist vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber dennoch die Tendenz, die durch die Vermischung von Kultur und Staat entsteht. Die Kulturerzeugnisse, die ohne staatliche oder wirtschaftliche Interessensvermischung entstehen, haben hingegen die Tendenz zur Universalität, haben die Kraft, die Menschen weltweit zu verbinden. Dieses Gebiet, welches wir «freies Geistesleben» nennen, ist heute schon keimhaft vorhanden. Es muss nur besser verstanden und ausgebaut werden.

Das Gleiche gilt auch für das Wirtschaftsleben. Wir sind heute weltweit in ein Netzwerk von Wirtschaftsbeziehungen eingeflochten. Es gibt darin viele Versuche, diese kooperativ und fair zu gestalten. Auch diesen Bereich gilt es auszubauen. Darin steckt viel mehr Friedenspotential, als es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag.

 

Die Schweiz ist eine direkte Demokratie. Ist die Dreigliederung da nicht überflüssig?

Wir würden das eher umgekehrt sehen. Die direkte Demokratie ist tatsächlich eine Errungenschaft, auf die wir stolz sein können. Doch was ist der Kern dieser Errungenschaft? Es ist die Tatsache, dass jeder Mensch mitbestimmen kann. Aktuell geht die Tendenz jedoch dahin, die ehemals föderalen Entscheidungsstrukturen immer mehr zu zentralisieren. Dadurch werden die Möglichkeiten zur Mitbestimmung und damit auch die Mitverantwortung des Einzelnen heute tendenziell wieder kleiner. Die Dreigliederung ist daher eine sehr aktuelle Perspektive für die Schweiz. Sie zeigt auf, wie die direkte Demokratie weiterentwickelt werden kann, damit Mitbestimmung und Mitverantwortung in einem viel grösseren Umfang wieder möglich werden.

 

Welche konkreten Lösungsansätze seht ihr?

Es gibt viele! Hier nur zwei Beispiele: Im Kanton Zürich hat das Parlament am 28. Februar 2022 ohne Gegenstimme ein neues Gesetz beschlossen, damit Menschen mit Behinderung in Zukunft direkt finanziert werden und nicht die Institutionen. Das nennt sich auch «Subjektfinanzierung» anstatt «Objektfinanzierung». Der Staat ermöglicht dadurch den Menschen mit Behinderung eine viel grössere Selbstbestimmung. Im Sinne der Dreigliederung ist das eine wundervolle Entwicklung. Es hat nur noch entdeckt zu werden, dass genau dieselben Gründe und Überlegungen dazu führen müssten, auch in der Bildung von der Objektfinanzierung zur Subjektfinanzierung zu wechseln. Jedem Kind könnte entsprechend ein bestimmter Bildungsbetrag zugesprochen werden. Die Eltern und die Lehrpersonen könnten dann zusammen die Möglichkeiten ausloten, wie damit die bestmögliche Entwicklung des jeweiligen Kindes gewährleistet wird. Dies würde ein viel effizienteres, freieres und gesünderes Bildungswesen ermöglichen.

Ein anderer Lösungsansatz ist das «Verantwortungs-Eigentum». In Deutschland haben sich schon über sechshundert Unternehmen entschieden, das Firmen-Eigentum rechtlich an die jeweils aktive Unternehmensführung zu binden. Das Unternehmen kann dadurch nicht mehr zum Objekt von Profit-Spekulationen gemacht werden, da es nicht an den Meistbietenden verkauft, sondern an einen geeigneten Nachfolger übertragen werden muss. Dadurch ergeben sich ideale Voraussetzungen für ein sinnorientiertes und kooperatives Wirtschaftsleben.

 

Gibt es bereits positive Entwicklungen in Richtung Dreigliederung in der Schweiz?

Eine aus unserer Sicht äusserst positive Einrichtung ist die im Jahre 1948 per Volksabstimmung eingeführte AHV. Aus Sicht der Dreigliederung hat der Staat überall dort Grenzen zu setzen und Hilfe zu leisten, wo die Menschenwürde in Gefahr ist. Die Sicherstellung eines menschenwürdigen Alters durch die Rechtsgemeinschaft ist dafür ein sehr gutes Beispiel.

Es gibt aber auch viele Initiativen und Projekte, wo im Kleinen gewirkt wird. Einiges ist hier in diesem FondsGoetheanum vorgestellt.

 

Was sind eure Ziele?

Es gibt viele Initiativen und Einrichtungen, die eine Entwicklung in Richtung Dreigliederung begrüssen würden oder schon aktiv in diese Richtung arbeiten. Es findet aber erst wenig Austausch und Zusammenarbeit unter diesen statt. Wir möchten daher mit «Dreigliederung Schweiz» eine Art Plattform schaffen, in welcher sich alle diese Einrichtungen austauschen und organisieren können. Wir wollen dadurch den Lernprozess, welchen es braucht, um die Kultur, Wissenschaft und Bildung freier und die Wirtschaft kooperativer zu gestalten, anregen.

Vielen Dank Jonathan Keller, Michael Gambarini und Fionn Meier für das Gespräch.

 

Diese Organisationen tragen mit.