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Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt

Im Inneren des Menschen offenbart sich der Wesensgehalt der Natur. «Für den Menschen besteht nur so lange der Gegensatz von objektiver äußerer Wahrnehmung und subjektiver innerer Gedankenwelt, als er die Zusammengehörigkeit dieser Welten nicht erkennt. Die menschliche Innenwelt ist das Innere der Natur»,  so schreibt Rudolf Steiner über Goethes Weltauffassung.

Referenzseite: sehenundschauen.ch

“Das Anschauen ist eine so wunderbare Sache, von der wir noch so wenig wissen; wir sind mit ihm ganz nach außen gekehrt, aber gerade, wenn wirs am meisten sind, scheinen in uns Dinge vor sich zu gehen.”

Rainer Maria Rilke

Metamorphosen- und Dreigliederungslehre

Metamorphoseforschung

Die Erforschung des Lebendigen kann über verschiedene Wege angegangen werden. Eine sehr sowohl mächtige wie auch schwierige Methode ist die über den gesamten Organismus, über die Gestalt eines Lebewesens. Suchantke versucht den Organismus folgendermassen zu fassen: "Es herrschen zirkuläre Prozessgestalten vor, die auf ein übergeordnetes, sich selbst erhaltendes, selbst organisierendes und gleichzeitig selbst verwandelndes Ganzes verweisen." (Suchantke 2002) Die organismische Gestalt ist "nicht nur räumlicher, sondern vor allem auch zeitlicher Natur" (Suchantke 2002).

Metamorphose ist in der Biologie üblicherweise bekannt als die Verwandlung von der Kaulquappe zum adulten Amphib oder von der (holometabolen) Insektenlarve zum adulten Insekt. Dieses Konzept der Verwandlung kann aber viel weiter gefasst werden.

Goethe hat die räumliche und zeitliche Verwandlung von Organismen an den verschiedensten Beispielen aufgezeigt. Seine Metamorphoseforschung an der Pflanze zeigt auf, wie durch die "Ausdehnungs"- und "Zusammenziehungs"-Prozesse die Pflanze sich steigert bis hin zur frucht- und samenbildenden Blüte. Dieses exemplarische Beispiel, das Goethe literarisch im Gedicht "Die Metamorphose der Pflanzen" bekannt gemacht hat, kann in den Formen- und Gestaltenreihen der lebendigen Natur fruchtbar gemacht werden.

Dreigliederungsgedanke

Steiner beschreibt den Menschen psychologisch und physiologisch als dreigliedrig. Diese Dreigliederung zeigt sich in der Tätigkeit und Wirkung von Sinnes-Nerven-System, Rhythmischem System (Atmung, Blutzirkulation) und Stoffwechsel-Gliedmassen-System. Jedes der drei Glieder wirkt mit einer gewissen Selbständigkeit. Keine völlige Trennung, vielmehr Wirkungsschwerpunkte.

Jedes der drei Glieder hat einen eigenen Bezug zur Aussenwelt: Das Kopfsystem durch die Sinne, das Rhythmussystem durch die Atmung, das Stoffwechselsystem durch Ernährung und Bewegung.

Die Glieder durchdringen sich vollständig, so dass in jedem Organ, an jeder Stelle des Organismus in jeweils verschiedener Stärke die Wirkung aller drei Glieder vorhanden ist.

Neben der räumlichen Durchdringung gibt es zahlreiche funktionale Verbindungen zwischen den Systemen durch systemübergreifende "Kommunikation". Darüber hinaus sucht jedes System eigene Aussenbeziehungen.

Räumlich und physiologisch stehen sich das Nerven- Sinnessystem (zentralisiert im Kopf) und Stoffwechsel-Gliedmassensystem (zentralisiert im Unterleib) polar gegenüber. Das Brustsystem wirkt vermittelnd in der Mitte.

Funktional zeigt sich im Nerven-Sinnessystem ein Abbau von Lebenskräften (erkennbar z.B. an absterbenden Gehirnzellen) und im Stoffwechsel-Gliedmassensystem ein Aufbau von Lebenskräften, die durch Atmung und Herztätigkeit vermittelt werden.

Sehr anschaulich stellt die Dreigliederung auch in Ökosystemen das grundlegende Ordnungsmuster dar: Auf der einen Seite bauen die grünen Pflanzen als Produzenten ständig lebendige Substanz (Biomasse) auf. Ohne Mithilfe der abbauenden Organismen, der Destruenten (Bakterien und Pilze) wäre aber eine Tätigkeit der Produzenten nicht möglich, da nur so ein Rückfluss der Stoffe garantiert ist. Zwischen diesen beiden Polen gliedern sich die Konsumenten (Tiere, Mensch) ein. Sie sind einerseits abhängig von der Biomasse der Produzenten, leiten aber ihre Stoffe dann den Abbauern zu.