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Einige Leitgedanken zur aktuellen pädagogischen Situation an den Schulen

25/03/2020

von Thomas Stöckli, Leitung Akademie für Anthroposophische Pädagogik, Schweiz

Wir befinden uns aktuell in einer internationalen Ausnahmesituation, in der Schulen weltweit vorderhand geschlossen sind. Darum müssen wir einerseits auf online-Learning umstellen, besonders in den oberen Klassen, dort wo es nötig ist, und gleichzeitig ein Gleichgewicht dazu schaffen, weil es natürlich nicht zur Qualität der Waldorfpädagogik gehört, so viel mit dem Internet zu arbeiten. Andererseits müssen wir es für das „Sinnvolle“ einsetzen durch unsere bewusste menschliche und auch spirituelle Arbeit.

Es gibt einige Punkte, die wichtig sind und von denen bereits gute Erfahrungen aus Schulen vorliegen:

  1. Welche Aufgaben geben wir auf, die sinnvoll sind, auch wenn es durch online vermittelt werden? Für die Oberstufe steht dem nichts entgegen, dass wir Mathematik-Aufgaben, Deutschaufsätze, Fremdsprachen-Texte und Lektüre-Aufgaben, schriftliche Arbeiten, vielleicht auch einen Film anschauen lassen. Fantasie ist gefragt und vor allem auf jeden Fall den individuellen Kontakt mit jeden einzelnen Jugendlichen aufrecht erhalten, sei dies per Mail, sei dies per Telefon oder indem sie zu Einzelgesprächen in die Schule kommen dort wo das möglich ist. Selbstverständlich ist es im Sinne der Waldorfpädagogik wichtig, dass es in der Polarität zu einem Gleichgewicht kommt mit Aufgaben in der Natur, wenn möglich viel Sonne „tanken“, aber auch Pflanzenbeobachtungen, Wolken beobachten, meteorologische Aufgaben, Vogelstimmen hören. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, damit man jetzt in der Natur echte Begegnungen hat, die so wichtig sind im Gleichgewicht zu den technischen Einseitigkeiten im Internet. Es geht nicht darum, dass online-Learning zu verteufeln, sondern Gegengewichte zu schaffen das gehört zu den aktuellen Aufgaben jetzt der Waldorfpädagogik.
  2. Für die Unterstufe ist es eine andere Situation. Es ist klar, dass es in der Waldorfpädagogik nicht genügt oder sogar förderlich ist, wenn Kinder nun online Aufgaben bekommen. Besser gehen sie, wenn möglich, ihre „Lernpakete“ an der Schule einzeln abholen beim Lehrer.  Und es ist richtig, dass nun auch ein intensivierter Kontakt mit den Eltern geschieht, in dem die Eltern mit uns online kommunizieren zu Fragen der Kinder und der Waldorfpädagogik. Hier können die Lehrpersonen mit den Eltern einen individuellen Kontakt pflegen und helfen. Dazu gehört natürlich vor allem auch das“ Lernen im Leben“, im Haushalt helfen, wenn ein Garten da ist Gartenarbeiten oder sonst in die Natur gehen, ein Feuer machen mit Waldbeobachtungen, in der Natur ein kleines Tagebuch führen mit Zeichnungen, das täglich geführt wird Da sind der Phantasie und Kreativität keine Grenzen gesetzt. Auch hier ist wichtig, dass die Lehrpersonen jedes Kind im Bewusstsein trägt und vielleicht sogar eine Chance sieht mit den Eltern in einem kontinuierlichen Kontakt zu sein durch regelmässige online-Elternbriefe. Vielleicht erhalten sie dadurch einen Einblick in die Waldorfpädagogik, wo sie sonst keine Zeit haben und auch nicht gefragt sind.
  3. Was sehr wichtig ist, dass die Lehrpersonen auch zu sich selber schauen im Sinne einer gesunden Psychohygiene und einem seelischen Gleichgewicht und auch selber in den Wald gehen oder in die Natur oder sich künstlerisch betätigen und das meditative Leben pflegen: Denn im Sinne von Steiners letzten Leitsätzen, je mehr wir veranlasst werden, in die „Unternatur“ der neuen Technik einzutauchen, desto wichtiger ist das Leben in der sogenannten „Übernatur“  (d.h. spirituelle Gedanken und letztlich eine lebendige Anthroposophie). Und füreinander meditieren. Nur ein ängstliches Abwehren dieser neuen Herausforderung wäre nicht im Sinne des Zeitgeistes Michael, sondern aktiv und bestmöglich Initiativen zu ergreifen, reagieren aus einer inneren Kraft heraus, die von der geistigen Welt uns zukommen kann.
  4. Austausch und Kommunikation: dies sind nur ein paar wenige Leitgedanken, die sicher ergänzt werden müssen, wir können uns auch als Waldorfbewegung lokal und auch weltweit vernetzen, untereinander mehr kommunizieren auf neuen Wegen, Erfahrungen austauschen um dem „social distancing „entgegen zu wirken. Und dabei denken wir an alle Kinder, nicht nur an die Waldorfschulen, wir sind als Menschheit eine Schicksalsgemeinschaft.