News
Schweizer Mitteilungen
Die Sommer-Ausgabe von “Anthroposophie – Schweiz” startet mit einem Beitrag zum 40. Geburtstag des Alters- und Pflegeheims Sonnengarten Hombrechtikon, der gefeiert wird mit einer Publikation zur Geschichte der Institution
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Anthroposophische Kunst- und Studientage
Der Christengemeinschaftspfarrer Daniel Hafner lädt seit ein paar Jahren Jugendliche zum Kennenlernen der Anthroposophie ein.
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Metamorphosen des Schopferischen
Die Vierteljahresschrift STIL: Goetheanismus in Kunst und Wissenschaft. Das schöpferische Motiv leitet alle Beiträge dieser Ausgabe
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Unter der Asche des Alltagsbewusstseins den göttlichen Funken finden
Tagung zum 100. Geburtstag von Georg Kühlewind brachte 150 Besucher nach Budapest – Übungsgruppen jetzt an ca. 20 Orten im deutschsprachigen Raum
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Tagung, Delegierten- und Mitgliederversammlung
Was heute ein neuer Anfang bedeuten kann, ist unsere Frage, und die Antwort darauf kann die Anthroposophische Gesellschaft in ein Gefäss verwandeln, in dem ungeahnte Zukunftsprozesse zwischen geistigen Impulsen und menschlichen Tätigkeiten entstehen und sich entwickeln können.
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Die Christengemeinschaft | Mai 2024
Das »Christus in mir« ist nicht nur so ein Gefühlsding, sondern es heißt, zu bemerken: In mir ist eine Kraft und eine Fähigkeit, die kreativ werden will und kann.
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Das Rudolf Steiner Archiv wird zum Forschungs- und Ausstellungsarchiv
Obwohl das Archiv bereits für eine öffentliche Benutzung voll zugänglich ist – dafür ist es noch nicht genügend erschlossen. Jetzt wird es jedoch eine Gewichtsverschiebung hin zu einem Forschungs- und Ausstellungsarchiv geben mit einer kontinuierlichen Feinerschliessung der Archivalien
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Die Christengemeinschaft | Juni 2018
Inhalt | Die Christengemeinschaft | Juni 2018
hingeschaut
Wer selbst an dich denkt ... 5
Per Andersen
Künstlerporträt 7
Ina Janke
Leben mit dem Evangelium |
Das Reich der Himmel 7
Tom Ravetz
Thema
Ansteckende Courage 8
Mathias Wais
Courage – Wem ist nicht bange? 10
Karl Schultz
Wichtig ist, was du für richtig hältst 11
Naomi Bahlo
Der Mut der Blutflüssigen Frau 14
Sabine Layer
Illegale Autorennen und
wie wir darüber urteilen 16
Fritjof Winkelmann
religiöses Leben
Wege in die Menschenweihehandlung |
VI. Anfang und Quell
sakramentalen Wirkens 21
Ulrich Meier
Biblische Begegnungen |
Rahab, die Wegbereiterin 23
Ruth Ewertowski
Hundert Jahre Christengemeinschaft (II) 26
Ulrich Meier
Mithrasgrade im Johannesevangelium 30
Hans-Bernd Neumann
Formen des japanischen Buddhismus (I)
Der Shingon-Buddhismus 33
Franziska Ehmcke
Austausch
Was ist der Konstitution des Mannes.
was der der Frau gemäß? 37
Friedrich Schmidt-Hieber
Weltweit
Brief an eine Schülerin 38
Yücel Feyzioglu
Bücher
Werdesal – dem Schicksal
antwortend (Kollert) 40
Marion von der Wense
Offene Verbindung (Wellershoff–Schuur) 41
Christine Gruwez
Darwin ins Rechte gedacht (Schad) 42
Ulrich Meier
Entdeckungen
Ein Garten 43
Regine Bruhn
Veranstaltungen 44
Impressum 45
***
Ansteckende Courage – Begebenheit in drei Akten
von Mathias Wais
Erster Akt
In der Straßenbahn, es ist ca. 16.30 Uhr, Rushhour, Feierabend. Alle streben nach Hause, wollen raus aus der City, hinaus in die Vorstadt, wo das Eigenheim wartet und Entspannung verheißt.
Sämtliche Sitzplätze sind belegt. Die Stehplatzflure sind übervoll, und fast jeder Passagier schleppt noch ein oder zwei Plastiktüten mit sich, den Einkauf für heute Abend. Ein paar Jugendliche fahren mit prall gefüllten Sporttaschen. Im mittleren Teil der Bahn sitzen sechs Jugendliche zusammen. Sie sind bei der Berufsschule eingestiegen. Jeder von ihnen starrt auf sein Smartphone, um nach dem Unterricht wieder Anschluss an die Welt zu bekommen.
Ein älterer Mann steigt ein, er mag ungefähr achtzig Jahre alt sein, mit Gehstock, er scheint etwas unsicher auf den Beinen. Da steht einer der Berufsschüler auf und bietet diesem Herrn seinen Platz an: »Setzen Sie sich bitte.«
Eine kleine Geste, die doch so selten geworden ist. Ab und an sieht man noch ältere Herrschaften, die noch älteren Herrschaften ihren Sitzplatz anbieten. Das ist alte Schule. Das gibt es noch vereinzelt. Aber dass ein junger Mensch …?
Das irritierend Schöne war nicht die Höflichkeit, zum wenigsten auch der Respekt dem alten Mann gegenüber. Das Entscheidende und eigentlich Erstaunliche schien die Courage zu sein: Der junge Mann setzte sich ja in einem Einsichts- und Entschlussmoment von der Selbstbefangenheit seiner Smartphone-Clique ab. Er selbst hatte zunächst auch sein Blickfeld eingeengt auf das Gerät, hatte ein ums andere Mal seinen Nachbarn oder sein Gegenüber auf einen Post, eine Twittermeldung, eine Sportnachricht aufmerksam gemacht. Im Gegensatz zu seinen Freunden hatte er aber gleichzeitig die Wachheit zu sehen, dass der ältere Herr einen Sitzplatz brauchte. Und unmittelbar setzte sich diese Einsicht um in den Beschluss, ihm seinen Sitzplatz anzubieten. Hieß ja: für den Moment auszusteigen aus der Smartphone-Gemeinschaft. Hieß, gegen den Strom zu handeln, sich ganz auf sich selbst zu stellen. Hieß, etwas in dieser Situation Unerwartetes zu tun. Die Achtsamkeit dem älteren Herrn gegenüber war dem jungen Mann für den Moment wichtiger und richtiger als die fortlaufende Verbundenheit mit seinen Kumpels. Ein kleiner Augenblick der Courage, so schien es mir.
Zweiter Akt
Nun war die kleine Geschichte damit nicht zu Ende. Der Moment der Courage pflanzte sich unversehens fort. Ganz deutlich sprang der Funke über auf andere Fahrgäste. Erst zwei, drei, dann mehr und mehr Fahrgäste sahen sich um, ob vielleicht noch jemandem ein Sitzplatz angeboten werden könnte. Nun wollten auf einmal viele so couragiert sein. Nicht dass man die entsprechende Regel für Höflichkeit und Rücksichtnahme nicht schon immer gekannt hätte. Nein, das Entscheidende war, zu dieser Regel aufzuwachen, sie sich persönlich zueigen zu machen, eine ganz persönliche Entscheidung zu treffen, gerade weil solches heute kaum mehr üblich ist. Eben deshalb exponiert man sich mit einer solchen eigentlich banalen Höflichkeitsgeste. Es ist ein Courage-Moment, der nun plötzlich attraktiv geworden ist. Tatsächlich war da nun allerdings niemand, dem man hätte noch einen Sitzplatz anbieten können oder müssen. Alles kräftige, mittelalte Leute, gut im Saft. Dafür breitete sich augenblicklich ein Flair von Höflichkeit und gegenseitigem Interesse aus, was immerhin bis zur übernächsten Haltestelle anhielt. Plötzlich hörte man zum Beispiel, wenn jemand aufstehen und aussteigen wollte, viel »Darf ich Sie eben bitten …?« oder »Kommen Sie gut nach Hause« und »Ich danke Ihnen«, nicht einfach »Danke«.
Dritter Akt
Diese Episode inspirierte meinen Freund, der auch dabei gewesen war, zu einem kleinen Experiment: Er wollte herausfinden, ob man solche kleine persönliche Couragiertheiten im Alltag gezielt stimulieren kann. Wir stiegen zusammen in eine wiederum voll besetzte Straßenbahn ein. Statt, wie es heute üblich ist, sich hinein und durch zu drängeln, riefen wir schon am Eingang »Gestatten Sie bitte« und »Würden Sie bitte hier einen Schritt zur Seite treten« sowie »Ich achte darauf, dass ich nicht auf ihre Tasche trete«. So ähnlich muss es Moses ergangen sein, als er mit seinem Stab die Fluten des Schilfmeeres auseinandertrieb, damit sein Volk hindurch konnte. Ich rempelte aus Versehen eine junge Frau an, hatte mit meinen Schuhen an ihrem Mantel gestreift, als ich über eine große Sporttasche steigen wollte. Ich nutzte den Moment, entschuldigte mich persönlich, nannte meinen Namen, bot ihr meine Karte an, damit sie mir die Reinigungsrechnung schicken konnte. Sie wiegelte lächelnd ab, es sei ja halb so schlimm, und wir kamen ins Gespräch über volle Straßenbahnen und darüber, dass sie ja für alle belastend seien. Gleichzeitig machte sich eine gewisse Unruhe um uns herum bemerkbar, eine Unruhe der Verbundenheit. Einander bis dahin wildfremde Leute erzählten sich von ihren Erlebnissen mit voll besetzten Straßenbahnen, von den Kopfschmerzen, die man dabei schnell bekommt, und was dagegen hilft (»Also, ich trage einfach etwas Tigerbalsam auf die Stirn auf«).
Was war geschehen? Wir hatten mit unserem kleinen Experiment den Mut stimuliert, einander persönlich zu begegnen. Das war alles. Und doch offenbar so viel. Gibt es ein untergründiges Bedürfnis, bei aller Sicherheit gebenden Anonymität der Großstadt, nach persönlicherer Begegnung? Und muss das nur einer anstoßen?
Eine Kleinigkeit gewiss, verglichen zum Beispiel mit der Courage, die jemand aufbringen muss, der beschließt, den Mount Everest zu erklimmen. Aber stecken solche gewaltigen Mut-Beschlüsse an? Augenscheinlich können jedenfalls so kleine Couragiertheiten anstecken.