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Schweizer Mitteilung

Schweizer Mitteilungen

Die Sommer-Ausgabe von “Anthroposophie – Schweiz” startet mit einem Beitrag zum 40. Geburtstag des Alters- und Pflegeheims Sonnengarten Hombrechtikon, der gefeiert wird mit einer Publikation zur Geschichte der Institution

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Anthroposophische Kunst- und Studientage

Der Christengemeinschaftspfarrer Daniel Hafner lädt seit ein paar Jahren Jugendliche zum Kennenlernen der Anthroposophie ein.

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Metamorphosen des Schopferischen

Die Vierteljahresschrift STIL: Goetheanismus in Kunst und Wissenschaft. Das schöpferische Motiv leitet alle Beiträge dieser Ausgabe

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Unter der Asche des Alltagsbewusstseins den göttlichen Funken finden

Tagung zum 100. Geburtstag von Georg Kühlewind brachte 150 Besucher nach Budapest – Übungsgruppen jetzt an ca. 20 Orten im deutschsprachigen Raum

 

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Tagung, Delegierten- und Mitgliederversammlung

Was heute ein neuer Anfang bedeuten kann, ist unsere Frage, und die Antwort darauf kann die Anthroposophische Gesellschaft in ein Gefäss verwandeln, in dem ungeahnte Zukunftsprozesse zwischen geistigen Impulsen und menschlichen Tätigkeiten entstehen und sich entwickeln können.

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Die Christengemeinschaft | Mai 2024

Das »Christus in mir« ist nicht nur so ein Gefühlsding, sondern es heißt, zu bemerken: In mir ist eine Kraft und eine Fähigkeit, die kreativ werden will und kann.

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Das Rudolf Steiner Archiv wird zum Forschungs- und Ausstellungsarchiv

Obwohl das Archiv bereits für eine öffentliche Benutzung voll zugänglich ist – dafür ist es noch nicht genügend erschlossen. Jetzt wird es jedoch eine Gewichtsverschiebung hin zu einem Forschungs- und Ausstellungsarchiv geben mit einer kontinuierlichen Feinerschliessung der Archivalien

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Wozu brauchen wir eine Anthroposophische Gesellschaft?

100 Jahre danach

anthropsophie

Die 1923 gegründete Anthroposophische Gesellschaft mit ihrer Freien Hochschule für Geisteswissenschaft spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Anthroposophie und strahlt in die verschiedenen Bereiche aus, die sich an ihr orientieren.

Sie ist aber auch in ganz anderer Hinsicht beispielhaft. Mit dem allmählichen Aufkommen des Freiheitsgefühls bedurfte es einer Form, die es ermöglicht, die Entfaltung dieser Freiheit zu begleiten und was daraus entsteht, fruchtbar zu machen für die menschliche Gesellschaft im Allgemeinen. Eine solche Form, die auf gesellschaftlicher Ebene einer Art Quadratur des Kreises gleichkommt, hat Rudolf Steiner mit der Anthroposophischen Gesellschaft verwirklicht: ein Modell, das in der Folge für jede menschliche Tätigkeit, die frei, engagiert und verantwortlich sein will, replizierbar ist. Es ist eine echte Schöpfung, etwas Neues, das heute noch seine volle Gültigkeit hat! Und als Mitglied dieser Gesellschaft nimmt man teil an einem Werk, das im Entstehen begriffen ist und zu den entscheidendsten für die Zukunft des Allgemeinmenschlichen in der Zivilisation gehört.

30 Jahre zuvor hatte Rudolf Steiner die Grundlagen für eine solche Freiheit des Menschen gelegt. Am Ende seines Lebens hat er auf vielfältige Weise versucht, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass dieses Freiheitspotenzial in den menschlichen Beziehungen und im sozialen Leben verankert werden kann. Sein Ziel, das auch das Ziel der gesamten Kulturepoche ist, in der wir leben, ist die Entwicklung eines freien Geisteslebens. Er ist sich aber auch der Gefahren bewusst. 1921 sagte er: «Das Geistesleben wird zur grossen Tyrannei, wenn es überhaupt auf der Erde sich ausbreitet, denn ohne dass eine Organisation eintritt, kann es sich nicht ausbreiten, und wenn eine Organisation eintritt, wird sogleich die Organisation zur Tyrannin. Daher muss fortwährend in Freiheit, in lebendiger Freiheit gekämpft werden gegen die Tyrannis, zu der das Geistesleben selber neigt.» Hier zeigt sich die Situation des freien Geisteslebens in seiner ganzen Dramatik, sobald es die menschlichen Beziehungen konkret berührt, die in gewisser Weise immer die Form von Rechtsverhältnissen annehmen.

Rudolf Steiner eröffnet wenige Sätze davor in seinem Vortrag eine wichtige Perspektive, die es zu beachten gilt, wenn man in der Schweiz mit Rechtsverhältnissen in Berührung kommt. Denn anders als in Frankreich, Deutschland oder sonstwo in Europa hat sich «an den schweizerischen Bergen […] für die Herzen der Menschen eigentlich gebrochen das römische Recht». Und in diesem Zusammenhang fügt er hinzu: «Die Engel der ganzen Welt schauen auf die Schweiz, ob hier das Richtige geschieht». Das ist ein starkes und aussagekräftiges Bild, doch hüten wir uns vor vorschnellen Interpretationen: Es geht um das Herz der Menschen, und mit diesem Herz müssen wir lernen zu beobachten. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft während der Weihnachtstagung fruchtbar zu behandeln, ohne diesen besonderen Aspekt des Rechts zu berücksichtigen. Denn die Herausforderung für Rudolf Steiner war ja, dem anthroposophisch orientierten Geistesleben, der Anthroposophie eine Organisation zu geben, damit sie sich in der Zivilisation entfalten und Früchte tragen kann, ohne aber in Tyrannei zu verfallen. Die Herausforderung besteht grade darin, die menschlichen Beziehungen durch das, was sie sind zu beschreiben und nicht durch Statuten zu definieren, damit das Recht als solches nicht an Macht gewinnt, sich durchsetzt und zu etwas zwingt.

Denn mit welchen Rechtsformen haben wir es im schweizerischen Recht zu tun? Als selbständige juristische Personen sind nicht viele anerkannt: der Verein, die Stiftung, die Aktiengesellschaft, die Genossenschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Alle diese Rechtsformen sind in einer Zeit entstanden, in der nicht das Vertrauen in das freie Individuum, sondern das Misstrauen die Norm war. Sie alle sind darauf angelegt, Eigeninitiative zu kontrollieren und gegebenenfalls einzuschränken, sobald sie nicht mehr den Erwartungen der Mehrheit entspricht. Mit anderen Worten: Das letzte Wort haben nie die Träger der Initiative, sondern diejenigen, die sich um die Initiative scharen, d.h. die Generalversammlung. Dieses wiederkehrende Problem des Misstrauens der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen ist auch verständlich. Dennoch kann das Aufkommen der Freiheit nicht länger ignoriert werden. Sie bedarf eines angemessenen Rahmens, damit sich ein freies Geistesleben entfalten und sein Potenzial in die Erneuerung der Gesellschaft einbringen kann, ohne in Tyrannei abzugleiten.

Es ist in der Tat ein Akt von solcher Tragweite, den Rudolf Steiner mit der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft zu Weihnachten 1923 vollzieht. Aus heutiger Sicht tut er tatsächlich nichts Geringeres, als auf den aufmerksamen Blick der Engel der ganzen Welt zu antworten und einen Weg zu bahnen, der die Konturen einer neuen Gesellschaft mit neuen menschlichen Beziehungen und einem neuen Recht, das nicht definiert, sondern charakterisiert, deutlich werden lässt. Ein Weg, bei dem wir darauf achten müssen, das Gefühl zurückzuhalten, damit das Herz wahrnehmen und daraus die entsprechende Haltung entstehen kann.

Wie geht Rudolf Steiner dabei vor?
Er beginnt damit, dass er überall auf der Welt, wo Anthroposophie gelebt und vertieft wird, die Gründung von Anthroposophischen Gesellschaften anregt. Diese Anthroposophischen Gesellschaften entstehen dezentral und autonom, entsprechend den länderspezifischen Gepflogenheiten, und mit Satzungen, die im jeweiligen Recht, wie es vor Ort besteht und gelebt wird, verankert sind. Die Rechtsform ist eine andere, je nachdem, ob man sich in Schweden, Frankreich oder den Niederlanden befindet. Selbst die in Deutschland existierende Gesellschaft wird auf ihre nationale Dimension zurückgebunden. So gelten in den Landesgesellschaften die verschiedenen nationalen Rechte.

Die Tagung wird dann von der Schweizerischen Landesgesellschaft zu Weihnachten 1923 einberufen und nimmt damit den Charakter einer Delegiertenversammlung der verschiedenen weltweit existierenden aktiven Gesellschaften und Gruppen an, an der auch einfache Mitglieder, die anwesend sind oder den Weg auf sich nehmen konnten, teilnehmen. Der Initiator ist Rudolf Steiner selbst. Er ist es, der den Anstoss zu dieser Weihnachtstagung gibt. Er legt einen Entwurf für die Statuten einer neuen Anthroposophischen Gesellschaft vor, der der Versammlung in Dornach einleitend vorgelesen wird. In einem feierlichen Gründungsakt ruft er dann jeden Einzelnen auf, innerlich die Verbindung herzustellen zwischen seiner leiblich-menschlichen und der ihn umgebenden kosmischen Wirklichkeit, deren Abbild er ist – Mikrokosmos und Makrokosmos. Und aus der Substanz dieser Verbindung den Grundstein der Anthroposophischen Gesellschaft zu bilden und ihn in sein eigenes Herz zu legen. Man wird nicht Mitglied einer gewöhnlichen Gesellschaft: Man fügt sich mit seiner eigenen menschlichen und kosmischen Wirklichkeit in dieses neue soziale Gebäude ein, nimmt daran teil und formt es immer wieder neu. Dann kann die Anthroposophische Gesellschaft einerseits zu jenem Körper werden, den die Anthroposophie für ihre Ausstrahlung braucht, und andererseits zum Modell für die Entfaltung des Freiheitsimpulses in der Zivilisation als Keim eines wirklich freien Kulturlebens. Und dazu brauchen wir 100 Jahre später eine Anthroposophische Gesellschaft!

Die Tagung ist eröffnet, der Ton gegeben!
Diese Form drückt sich in einem Statutenentwurf aus, der während der Tagung Tag für Tag sukzessive behandelt wird. Man entdeckt darin zwei Qualitäten von Mitgliedern, einmal der Gesellschaft selbst und einer Schule mit drei Klassen. Man erkennt sich selbst in seinen Grundlagen. Man lernt den Vorstand und die Beschreibung seiner Verantwortlichkeiten kennen, aber eine Sache überrascht: Es gibt keinen Artikel, der die Art und Weise der Ernennung und Erneuerung dieses Vorstandes festlegt. Und ich würde sagen, gerade darin wird diese Form beispielhaft, archetypisch dafür, dass sich ein freies Kulturleben gesund entwickeln kann, ohne tyrannisch zu werden. Sie beruht auf dem Zusammentreffen von freier Initiative mit freier Empfänglichkeit und Anerkennung.

Rudolf Steiner ist der Initiator dieser neuen Anthroposophischen Gesellschaft. Er schlägt ein Statut vor, das in der Versammlung diskutiert wird, er genehmigt diese oder jene Ergänzung oder Änderung. Aber eines steht nicht zur Diskussion: Er übernimmt den Vorsitz und wählt seine Vorstandsmitglieder selbst. Das ist eine conditio sine qua non. Und bei der endgültigen Verabschiedung der Statuten mit der Ergänzung des letzten Artikels, in dem die Mitglieder des Vorstandes aufgeführt sind, besteht er darauf: Der Vorstand wird weder gewählt noch ernannt, sondern bei der Versammlung gebildet, sozusagen von der Sache bestimmt.

Diese Besonderheit ist das notwendige und vielleicht auch genügende Merkmal, damit sich ein freies Kulturleben gesund entwickeln kann. Und es macht die Anthroposophische Gesellschaft zum Vorbild für jede freie Initiative in der Welt. Ob Goetheanum, Bauernhof, Arztpraxis, Gasthaus, Schule – jede menschliche Aktivität wird immer einen oder mehrere Menschen als Träger haben, die die Idee dazu hatten, die ihre zukünftige Entwicklung und die Verantwortung übernehmen. Sie werden umgeben sein von einer kleineren oder grösseren Zahl von Menschen, die die Legitimität dieser Initiativen anerkennen und Mitglieder, Sympathisanten, Partner – wie auch immer man es nennen will – werden.

Aber wozu sollten diese Menschen im Umfeld einer solchen Initiative ein Mitentscheidungsrecht bei der Entwicklung der Aktivitäten haben? Was ist das für eine verrückte Idee, eine Versammlung zu haben, die das letzte Wort hat, die sogar das höchste Organ der Initiative ist? Das macht überhaupt keinen Sinn. Aus der Sicht eines freien Geisteslebens ist es sogar völlig fehl am Platz. Denn es verhindert, dass die Initiatoren ihrer Verantwortung gerecht werden. Gerade hier muss man als Mitglied aufpassen und mit dem Willen kommen, zu unterstützen und mitzutragen und nicht die eigene Vision aufzudrängen, um so den neu gebildeten Raum vor schlechten Gewohnheiten zu schützen, die einem anderen Ort und einer anderen Zeit angehören.

Wenn dies gelingt, geschieht eine Art Wunder. Wenn ein von einer freien Initiative getragener Impuls in seinem Umfeld frei aufgenommen, anerkannt und verstanden wird, dann öffnet sich für seine Träger ein Raum, durch den sie inspiriert und gestärkt werden können. Dieser Raum bleibt leer, wenn der Vorstand unter einem Mandat handelt, das ihm von einer bestimmten Mehrheit in der Versammlung auferlegt wurde. Nur wenn dieser Freiraum von den Mitgliedern initiiert und anerkannt wird – sozusagen sogar durch diese Anerkennung geschützt wird –, kann sich in der Praxis eine Antwort geistiger, inspirierender Art eröffnen, die den Elan bestätigt und der Initiative eines Vorstandes Tragkraft verleiht. Dies alles hängt einzig und allein von der Haltung ab, mit der wir als Mitglieder und als Vorstand den Begegnungsraum der Versammlung betreten. Sind wir bereit im Sinne dessen, was wir vom Grundstein im Herzen tragen, in diesen Raum einzutreten, damit das gut werde, was wir wollen? Auch um dies zu üben, brauchen wir 100 Jahre später eine Anthroposophische Gesellschaft.

von Marc Desaules, Mitarbeit im Vorstand seit 1994

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100 Jahre Weihnachtstagung am Goetheanum
Dienstag, 26. Dezember bis Montag, 31. Dezember 2023

Veranstalter
Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft + der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz

Tagungsprogramm deutsch

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Kontakt

Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft
Goetheanum
Rüttiweg 45, 4143 Dornach
Telefon ++41 61 706 44 44
www.goetheanum.org

Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz
Oberer Zielweg 60, 4143 Dornach
Telefon ++41 61 706 84 40  | Fax ++41 61 706 84 41
www.anthroposophie.ch
Mail info@anthroposophie.ch

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