FondsGoetheanum: Rudolf Steiner

Körper und Seele brauchen Bewegung, Eurythmie

Eurythmie findet Anwendung in der Pädagogik, auf der Bühne, in der Erwachsenenbildung und als Heileurythmie in der Therapie. Das Wort bedeutet harmonische, schöne Bewegung. Diese Bewegung orientiert sich an unserer Sprache als unserem täglichen Ausdrucksmittel und an der Musik.

Die Eurythmie drückt aus, was sich nicht allein durch Sprache oder Musik sagen lässt. Dabei geht Eurythmie davon aus, dass Sprache und Musik ganz konkret den Menschen in seiner körperlichen, seelischen und geistigen Entwicklung prägen. In ihrer schöpferischen Kraft werden sie zur Bewegungskraft, Eurythmie zur «sichtbaren Sprache» und zum «sichtbaren Gesang».

Beginnend mit der Industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert hat sich der Bewegungsalltag für uns Menschen radikal verändert. Die maschinelle Produktion hat die täglichen physischen Aktivitäten eingeschränkt und spezialisiert. Um dieser Verarmung der Bewegung etwas entgegenzusetzen, wurden Turnhallen gebaut, Turnvereine entstanden, vielfältige Sportangebote sollten helfen, den physischen Körper gesund zu erhalten und Haltungsschäden zu kurieren.

Eurythmie erweitert unser Bewegungsrepertoire

Heute leben wir mit den Vorteilen und den Schattenseiten der Digitalen Revolution. Das Bewegungsrepertoire hat sich weiter vereinheitlicht. Egal in welchem Beruf wir arbeiten, die meisten von uns sitzen täglich viele Stunden vor dem Bildschirm, so dass äusserlich kein Unterschied zu sehen ist zwischen der Tätigkeit eines Versicherungsagenten und der einer dokumentierenden Ärztin. Wir leben oft in der eigenen «Blase» von normierten Abläufen, die uns zur Gewohnheit geworden sind. Neben dem körperlichen Ausgleich fehlen uns auch zunehmend Anregungen zur inneren Beweglichkeit. Diese seelische Ebene zu pflegen, erweist sich als mindestens ebenso wichtig wie die, sich körperlich fit zu halten. Schon durch ein gutes Gespräch oder indem wir uns Zeit nehmen, in die Natur zu gehen, durch den Besuch eines Konzertes oder einer Ausstellung können wir uns seelisch erholen; ebenso, indem wir Eurythmie betreiben.

Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit

Die Eurythmie wurde durch Rudolf Steiner und die ersten Eurythmistinnen ab dem Jahre 1912 entwickelt. Eurythmie als Bewegungskunst wird als Fach in den Rudolf Steiner Schulen unterrichtet, auf der Bühne aufgeführt, in der Erwachsenenbildung eingesetzt und ist in der Anthroposophischen Medizin eine wichtige Therapie.

Zu Beginn einer Eurythmie-Übung, auch einer Unterrichtsstunde, entsteht Stille – ein Moment der Erwartung, der Öffnung, der Vorbereitung. Und Stille steht auch am Ende der Eurythmie-Übung – das Erlebte klingt nach.

In einer Eurythmiestunde erklingen Sprache und Musik live. Ein Sprachlaut, ein Klang wird in Bewegung umgesetzt, oder die Bewegung verdichtet sich in ein Laut- oder Musikerlebnis.

Das durch Sprache und Musik Empfundene mit der Eurythmie künstlerisch zu gestalten, belebt und schafft das Gefühl einer Zusammengehörigkeit und des seelischen Erfülltseins. Die Teilnehmenden fühlen sich aufgehoben in einer gemeinsamen Bewegung, einem Bewegungschor. Dieser trägt, wenn man sich darauf einlässt. Das gibt Vertrauen in Prozesse und Bewegung überhaupt.

Stille, Einklang von Klang und Bewegung, Achtsamkeit gegenüber dem Mitmenschen und Vertrauen in den eigenen Ausdruck sind grundmenschliche Bedürfnisse. Sich zuhause zu fühlen im physischen Leib, in seinem Erleben und in seiner eigenen Intention, das kann durch die Eurythmie direkt erfahren werden, da sie davon ausgeht, dass unserer Sprache, ja dem einzelnen Laut eine Formkraft innewohnt, die unmittelbar mit der körperlichen, seelischen und geistigen Substanz unseres Menschseins zusammenhängt. Eurythmie hilft dem Menschen, dass er sich eins fühlen kann mit sich in seinem Leib, gleichzeitig aber auch als Teil eines Grösseren, eines geistigen Zusammenhanges, verbunden mit der «Schöpferkraft».

Aurica Arden, Co-Leiterin und Ausbilderin vom Eurythmeum CH, sagt: «Eurythmie ist für mich eine unerschöpfliche schöpferische Urquelle des Menschseins.»

Giulia Risso, Eurythmielehrerin an der Rudolf Steiner Schule Wetzikon, formuliert: «Diese Bewegungskunst verbindet die Welt mit mir und mich mit der Welt – auf jener unsichtbaren Ebene. Im Überzeitlichen, im Dazwischen.»

Nach über 100 Jahren ist die Heileurythmie «als eine komplementärmedizinische Methode staatlich anerkannt und wird ständig weiterentwickelt» – das begeistert Norman Kingeter, leitender Heileurythmist an der Klinik Arlesheim.

Tanja Baumgartner vom Institut ArteNova erforscht, wie «Eurythmie auf Substanzen, Pflanzen, Tiere, Menschen und unser Zusammenleben wirkt.»

«Eurythmie gibt eine enorm wirksame Möglichkeit, den Körper bewusst zu ergreifen», sagt Sabine Schaer, Heileurythmistin aus St. Gallen.

Für ihren Kollegen Herbert Langmair aus Zürich ergibt sich das Erlebnis, «in mir verankert und doch verbunden mit dem, was um mich ist, also ganz zu sein.»

Stefan Hasler,

Goetheanum, Sektion für Redende und Musizierende Künste

Foto: Charlotte Fischer

«Man hat schon etwas vor sich in dem eurythmisch bewegten Menschen wie die Sprache des Kosmos, die aber durch die menschliche Seele in der Bewegung der menschlichen Glieder wirkt.» Rudolf Steiner

 

Quellenangaben

 

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