Rudolf Steiner, sein Leben, seine Impulse

 

«Jede Idee, die dir nicht zum Ideal wird,

ertötet in deiner Seele eine Kraft;

jede Idee, die aber zum Ideal wird,

erschafft in dir Lebenskräfte.»

Rudolf Steiner

Die Bilder, die von Rudolf Steiner existieren, sind so vielgestaltig wie die jeweiligen Blickwinkel, von denen aus auf ihn geblickt wird. Für die einen ist er ein Erneuerer und Visionär, ein Mann der Praxis, der in verschiedensten Bereichen entscheidende Impulse geben konnte; für andere eine schillernde Gestalt mit seltsamen Ideen. Schon zu Lebzeiten wurde seine Person kontrovers diskutiert. Unbeachtet geblieben ist er nicht. Die Vielzahl der Nachrufe bei seinem Tod sind ein Zeugnis davon.

Untrennbar mit Rudolf Steiner verbunden ist die von ihm begründete Anthroposophie. Aus den griechischen Worten ‘anthropos’ (Mensch) und ‘sophia’ (Weisheit) zusammengesetzt heisst ‘Anthroposophie’ wörtlich ‘Weisheit vom Menschen’. Sie versteht sich als ein philosophisch-wissenschaftlich fundierter, spiritueller Erkenntnisweg, der «das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte». Steiner betonte die Wissenschaftlichkeit dieses Erkenntnisweges, der der Genauigkeit der Naturwissenschaften in keiner Weise nachsteht. Die philosophischen Grundlagen zu diesem Weg legte er in seinem 1893 erschienenen philosophischen Hauptwerk: ‘Die Philosophie der Freiheit’.

Auf der Basis des auf sich selbst beruhenden Denkens entwickelte er den ethischen Individualismus, dessen Essenz er so beschreibt: «Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen». In seinem zuerst als eine Folge von Artikeln 1904/05 erschienenen Werk ‘Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten’ entwickelte er den anthroposophischen Schulungsweg im Detail.

Das gedruckte Werk Rudolf Steiners umfasst rund 350 Bände, davon ca. 300 Bände Mitschriften von über 6 000 Vorträgen, die in einem Zeitraum von rund 24 Jahren gehalten wurden. In seinem Werk vermittelte Rudolf Steiner die Erkenntnisse seiner geistigen Forschung. Er war sich darüber im Klaren, dass nicht jeder von vornherein Forschung in dieser Art betreiben kann, wie auch nicht jeder in der Astrophysik oder Molekularbiologie zu Hause ist. Jedem und jeder ist es allerdings möglich, mit einem gesund ausgebildeten Denken die präsentierten Ergebnisse nachvollziehen und auf ihre Kohärenz hin prüfen.

Wer war also dieser Mensch, dessen Impulse und Anregungen in einer Vielzahl von Unternehmen, Institutionen und Initiativen auf der ganzen Welt weiterleben?

Leben, 1861 – 1925

Rudolf Steiner wird am 27. Februar 1861 in Donji Kraljevec, welches damals zu Ungarn und heute zu Kroatien gehört, geboren. Sein Vater ist Angestellter der österreichischen Bahn, was in seiner Kindheit und Jugend zu mehreren Umzügen führt.

Nach dem Abitur an der Landes-Oberrealschule in Wiener Neustadt beginnt er im Herbst 1879 ein Studium der Naturwissenschaften an der Technischen Hochschule in Wien, welches er 1883 abschliesst. Daneben besucht er als Gasthörer auch eine Vielzahl von Vorlesungen in anderen Fachrichtungen. Eine entscheidende Begegnung ist die mit dem Goethe-Kenner und Professor für deutsche Literatur Karl-Julius Schröer. Durch seine Vermittlung kann Steiner nach seinem Studium die Herausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften in Kürschner ‘Deutsche National-Litteratur’ übernehmen.

Eine feste Anstellung findet Rudolf Steiner ab 1884 als Hauslehrer für die vier Söhne der Familie Specht, bei der er auch bis zu seinem Wegzug aus Wien 1890 wohnt.

Seine erste eigenständige Schrift ‘Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung’ erscheint 1886 und mit dem Vortrag ‘Goethe als Vater einer neuen Ästhetik’ tritt Steiner 1888 zum ersten Mal als öffentlich Vortragender in Erscheinung.

1890 wird er an das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar berufen, wo er als Mitarbeiter an der Sophien-Ausgabe bis 1896 die Herausgabe der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes verantwortet. Zeitgleich promoviert er 1891 an der Universität Rostock mit einer Abhandlung, die 1892 unter dem Titel ‘Wahrheit und Wissenschaft’ erscheint. Nach Beendigung seiner Tätigkeit am Goethe- und Schiller-Archiv ist Steiner von 1897 bis 1900 als Herausgeber und vielschreibender Autor beim Berliner ‘Magazin für Litteratur’ tätig.

Ab 1899 unterrichtet Steiner an der Berliner Arbeiterbildungsschule, wo seine Kurse und Vorträge regen Zuspruch finden, so dass sich seine Vortragstätigkeit ab diesem Zeitpunkt stark zu entwickeln beginnt.

In Weimar hatte Steiner seit 1892 bei der verwitweten Anna Eunike gewohnt, zu der sich eine innige Freundschaft und Liebe entwickelt hatte. 1899 heiraten die beiden in Berlin. Die Ehe hält allerdings nur bis 1904.

Um die Jahrhundertwende erhält das öffentliche Wirken von Rudolf Steiner eine neue Richtung. Bereits als Kind hatte er erste übersinnliche Erlebnisse gehabt. Die Realität einer geistigen Welt stand für ihn seitdem ausser Frage. Nachdem er sich in den neunziger Jahren auf philosophischer Basis mit den Fragen der menschlichen Erkenntnis und ihrer Grenzen befasst hatte, tritt er nun vermehrt mit Publikationen und Vorträgen zur Geistes- und Mysteriengeschichte, Schilderungen eines Erkenntnisweges und den Ergebnissen eigener geistiger Forschung an die Öffentlichkeit.

In den Jahren zwischen 1901 und 1910 erscheinen viele Grundlagenwerke wie die ‘Theosophie’ (1904) oder die ‘Geheimwissenschaft im Umriss’ (1910). 1908 wird in Berlin der Philosophisch-Theosophische Verlag von Marie von Sievers gegründet, in dem von nun an Steiners Bücher und Vorträge erscheinen. Steiner hatte Marie von Sievers 1900 im Rahmen eines Vortragszyklus kennengelernt. Sie wird zu seiner engsten Mitarbeiterin. Im Jahr 1914 heiraten sie.

Steiner beginnt zu einer bekannten Person der damaligen Kulturwelt zu werden und zahlreiche namhafte Wissenschaftler, Künstler und Autoren besuchen seine Vorträge.

Ende 1912 wird die Anthroposophische Gesellschaft gegründet, und im September 1913 wird in Dornach in der Schweiz der Grundstein für den Bau des Goetheanums gelegt. Die Bauarbeiten für diesen spektakulären Doppelkuppelbau aus Holz mit farbigen, geschliffenen Glasfenstern, einer grossen Bühne und zahlreichen künstlerischen Elementen erstrecken sich über mehrere Jahre und werden von einer grossen Anzahl von internationalen Freiwilligen und Künstlern, auch während des Krieges, unterstützt. 1920 wird es eröffnet. Während all dieser Jahre geht Steiners Vortragstätigkeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch vielen anderen europäischen Ländern unvermindert weiter.

Mit Ende des Krieges erreicht Steiners Tätigkeit eine neue Intensität. Zahlreiche seiner Bücher erscheinen in erweiterten Neuauflagen, und er setzt sich über verschiedene Schriften, Memoranden und Vorträge intensiv für die Neugestaltung der Gesellschaft nach dem Krieg ein. Nachdem er sich bis dahin darauf beschränkt hatte, die Ergebnisse seiner Forschung in Büchern und Vorträgen zu veröffentlichen, erarbeitet er nun vielen Anfragen folgend, praktische Anwendungs- und Umsetzungsmöglichkeiten.

Es ist interessant zu sehen, dass Steiner sich nie ungefragt äussert, sondern immer auf konkrete Anfragen antwortet. So kommt es zu Impulsen für Wirtschaft, Pädagogik, Medizin, Religion, Landwirtschaft, Heilpädagogik und verschiedene Kunstformen. Zeitweise hält er bis zu drei Vorträge täglich.

Es geht ihm in seinen Anregungen nicht darum, die Errungenschaften der modernen Naturwissenschaften über Bord zu werfen, sondern sie aus der Sackgasse herauszuführen, in die eine rein materialistische Weltsicht sie geführt hat und so eine spirituelle Erneuerung der Zivilisation auf den Weg zu bringen.

In der Silvesternacht des Jahres 1922 fällt das noch nicht vollständig fertiggestellte Goetheanum einem Brandanschlag zum Opfer. Bereits am folgenden Abend nimmt Rudolf Steiner seine Tätigkeit wieder auf. Der Entschluss für einen völlig umgearbeiteten Neubau wird bereits 1923 getroffen. Durch den Brand waren auch diverse Missstände in der anthroposophischen Gesellschaft offensichtlich geworden und zwischen Weihnachten und Neujahr 1923 kommt es zu ihrer Neugründung und gleichzeitig zur Einrichtung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft als ihrem geistigen Fundament.

Im Laufe des Jahres 1924 verschlechtert sich Steiners Gesundheitszustand dramatisch, und im September ist er gezwungen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, arbeitet aber von seinem Krankenlager aus weiterhin intensiv an mehreren Veröffentlichungen. Er stirbt am 30. März 1925 in Dornach im Alter von 64 Jahren.

 

Veranstaltungen aus diesem Bereich

www.anthroposophie.ch präsentiert auf dieser Seite Veranstaltungen und Unternehmungen verschiedenster Schweizer Initiativen, die explizit für das Gedenkjahr Rudolf Steiners initiiert wurden. Dazu zählen:

       u.a.

             Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Goetheanum, Terrassensaal

Jahrestreffen | Workshop 2025: Begleitung von Menschen am Lebensende

Jährliches Treffen für Begleiter:innen von Menschen am Lebensende und Interessierte.

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Rudolf Steiner Archiv, Dornach

Vollständig oder vorläufig? Die Rudolf Steiner Gesamtausgabe.

Mit Cornelius Bohlen, Renatus Ziegler und Johannes Onneken

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Ausstellungen und Kurse